Hat Social Entrepreneurship in der Welt des Homo oeconomicus Platz?
von Yanika Meyer-Oldenburg
Wie verhält sich der Mensch in Entscheidungssituationen? In ökonomischen Verhaltensmodellen wird diese Fragestellung mit dem Konzept des Homo oeconomicus beantwortet. Es wird von einem rationalen Handeln der Menschen ausgegangen, deren höchstes Ziel es als Konsumenten ist, ihren Nutzen zu maximieren. Von der Perspektive der Unternehmer ist dagegen oft von Gewinnmaximierung die Rede. Die Unternehmensform des Social Entrepreneurship versucht dagegen gesellschaftliche Veränderungen zu erwirken; das höchste Ziel dabei ist"sozialen Mehrwert" zu generieren (Empter und Hackenberg 2011: 11). In diesem Sinne stellt sich die Frage, inwiefern das Konzept des Homo oeconomicus mit der Idee des Social Entrepreneurs zusammenpasst.
Im Folgenden soll, anhand dieser Fragestellung, untersucht werden, ob weiterhin an der Annahme des Homo oeconomicus festgehalten werden kann, oder ob es andere Verhaltensmodelle benötigt, um die steigende Anzahl von Social Entrepreneurships zu erklären.
Als erster Schritt wird hierzu „das Modell individuellen Verhaltens“ in der Wirtschaft, der sog. Homo oeconomicus genauer betrachtet (Kirchgässner 2013: 12). Schon Adam Smith legte erste Gedankenbausteine für den Homo oeconomicus, indem er von Wirtschaftssubjekten ausging, welche eigennützig agieren, da sie so den größten Wohlstand für sich selbst hervorbringen (vgl. Manstetten, Hottinger, Faber 1998:127). Neben Smith, haben auch viele andere Wirtschaftswissenschaftler an der Modellvorstellung des Homo oeconomicus mitgewirkt. So auch Gebhard Kirchgässner, auf dessen Arbeit („Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“)sich die hier verwendete Definition beruht. Die Annahmen, auf denen das Modell des Homo oeconomicus beruht sind, dass für die Wirtschaftssubjekte eine Knappheitssituation besteht, in der sie nicht in der Lage sind, alle Bedürfnisse gleichzeitig zu erfüllen und es deswegen eine Entscheidung treffen müssen. Diese Entscheidungen werden rational getroffen, was bedeutet, dass die Wirtschaftssubjekte zwischen den Alternativen abwägen können und in Folge dessen für sich selbst, verhältnismäßig am vorteilshaften handeln. Die Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte werden hierbei in Anbetracht von Restriktionen, d.h. von Einschränkungen (Gesetze, verfügbares Geld, etc.) und von den eigenen Vorlieben, den sog. Präferenzen getroffen (vgl. Kirchgässner 2013: 12-13). Letztere „ergeben sich aus den Intentionen des handelnden Individuums, sie spiegeln seine Wertvorstellungen wider“ (Kirchgässner 2013: 14). Auf deren Basis werden die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten abgewogen und schließlich wird genau die Entscheidung getroffen, welche den eigenen Präferenzen am nächsten kommt und daher den größten individuellen Nutzen mit sich bringt (vgl. ebd.). Wird der Unternehmer auf dieselbe Weise betrachtet, so gilt die Gewinnmaximierung ebenfalls lediglich als Mittel, um die eigene Nutzenmaximierung zu realisieren. In diesem Sinne wäre „Gewinnmaximierung nicht das eigentliche Ziel unternehmerischen Handelns, sondern nur ein abgeleitetes Ziel aus der Annahme der Nutzenmaximierung“ (Kirchgässner 2013: 15). Diese Ansicht eröffnet die Möglichkeit, dass noch etwas Anderes einen Beitrag zur Nutzenmaximierung spielt, beispielsweise auf welche Art und Weise der Gewinn des Unternehmens generiert wird, oder auch, dass Gewinnmaximierung nicht in jedem Fall auch Nutzenmaximierung für den Unternehmer bedeutet (vgl. Harbrecht 2010: 73). Es dient somit als Beweis, dass der Homo oeconomicus der Moderne, nicht rein „materiell orientiert“ ist (Kirchgässner 2013: 15-16).
In Anbetracht dessen, wird die Unternehmensform des Social Entrepreneurships im Zusammenhang mit dem Homo oeconomicus wieder möglich. Der Social Entrepreneur generiert den höchsten Nutzen durch sein Unternehmen, sobald er ´sozialen Mehrwert´, statt Gewinn maximieren kann (Empter, Hackenberg 2011: 11). Dies bedeutet, dass seine individuellen Präferenzen anders ausgerichtet sind, als Unternehmern in der klassischen Nationalökonomie traditionell unterstellt wird. Der Social Entrepreneur wählt somit, wie alle anderen Individuen, die Alternative, die ihm ganz individuell den höchsten Nutzen einbringt. Sein höchster Nutzen dabei ist es jedoch, anderen Menschen nützen zu können (vgl. Vormoor 2011: 29, Harbrecht 2010: 73). Anders, als dem Modell des Homo oeconomicus oft unterstellt wird, sagt es nicht aus, dass jedes Individuum rein egoistisch, ohne auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen, handeln muss, sondern dass das Handeln lediglich eigennützig stattfindet. Der Nutzen des Individuums kann gleichzeitig auch anderen nützen; Eigennutz kann gleichzeitig auch „Fremd“-Nutzen sein. Es besteht also die Möglichkeit, dass sich das Modell des Homo oeconomicus und die Idee von Social Entrepreneurship in einigen Bereichen nicht gegenseitig ausschließt und sich widerspricht, sondern sich sogar entsprechen kann. Jedoch sind die Übereinstimmungen beschränkt und es existiert einige berechtigte Kritik an den Glauben eines Homo oeconomicus als handelnden Menschen, vor allem was den sozialen Sektor angeht. So wird das vollkommene Eigeninteresse, nach welchem der Homo oeconomicus zusammen mit absoluter Rationalität agiert, in anderen Definitionen mehr in den Fokus gestellt (vgl. Suchanek). In Anbetracht dieser Ansicht des Homo oeconomicus ist es schon schwieriger, die Existenz von ehrenamtlicher Tätigkeit, Spendenbereitschaft, oder auch von Social Entrepreneurships zu erklären. Leichter wäre dies in der Annahme, dass Menschen ihre Entscheidungen aufgrund vom gesellschaftlichen Umfeld und den, an sie gestellten Erwartungen treffen, wie es das Konzept des Homo sociologicus darlegt (vgl. Harbrecht 2010: 75). In den Wissenschaften werden die beiden Verhaltensmodelle oft als Gegensätze gegenübergestellt. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass Menschen Entscheidungen, beiden Modellen entsprechend, treffen und „so könnten sich die beiden Ansätze durchaus fruchtbar ergänzen“ (Kirchgässner 1993: 181).
Es lässt sich demnach festhalten, dass die Definition des Modells des Homo oeconomicus von Gebhard Kirchgässner die Idee von Social Entrepreneurship zwar zulässt, aber dennoch nicht zufriedenstellen erklären kann. In der Betrachtung von Social Entrepreneurship sollte das Konzept des Homo oeconomicus jedoch nicht vollständig negiert werden, da es grundlegend für die meisten ökonomischen Modelle ist. Als Alternativvorschlag fungiert die Ergänzung der Vorstellung eines Homo oeconomicus mit der eines Homo sociologicus, dessen Verhalten vor allem von außen bestimmt wird. Ob die Kombination der beiden Modelle jedoch ausreichend ist, um das Verhalten eines Social Entrepreneurs zu erklären, lässt sich in Frage stellen. So wäre es eine Reduktion dessen Motive auf Eigennutz, der sich in der Hilfeleistung für andere maximiert und Erwartungen der Gesellschaft an das eigene Verhalten, zu beschränken. Meiner Meinung nach treibt einen Social Entrepreneur vielmehr auch eine intrinsische Motivation an, welche dem Wunsch zugrunde liegt, nicht sich selbst, sondern der Gesellschaft Nutzen zu bringen.
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Literatur
- Empter, Stefan und Helga Hackenberg (2011): Social Entrepreneurship and Social Business: Phänomene, Potentiale, Prototypen- ein Überblick, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
- Kirchgässner, Gebhard (2013): Homo oeconomicus: Das Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Tübingen: Mohr Siebeck GmbH & Co.- Harbrecht, Armin (2010): Social Entrepreneurship- Gewinn ist Mittel, nicht Zweck: eine Untersuchung über Entstehung, Erscheinungsweisen und Umsetzung, Karlsruhe: KIT Scientific Publishing
-Kirchgässner, Gebhard: Hält sich der Homo Oeconomicus an die Regeln? Einige Bemerkungen zur Rolle von Normen und Regeln im Rahmen der Konzeption des ökonomischen Verhaltensmodells.Veröffentlicht in: Neue politische Ökonomie von Normen und Institutionen.Bd. 12 (1993) Hrsg. von: Herder-Dorneich, Philipp, Karl-Ernst Schenk, Dieter Schmidtchen, Tübingen: Mohr Siebeck GmbH & Co.
-Manstetten, Rainer, Olaf Hottinger und Malte Faber (1998): Zur Aktualität von Adam Smith: Homoe oeconomicus und ganzheitliches Menschenbild. Veröffentlicht in: Homo oeconomicus XV, München: Accedo Verlagsgesellschaft
- Vormoor, Michaela 2011: Money cannot buy great ideas- Soziale Kapitalisten: Begriff, Beispiele und gesellschaftliche Bedeutung von Social Entrepreneurship,Hamburg: Diplomica Verlag GmbH
- Gabler Wirtschaftslexikon: Andreas Suchanek: Homo oeconomicus [online]http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/homo-oeconomicus.html[23.08.2017]