Student's Blog

Hat Social Entrepreneurship in der Welt des Homo oeconomicus Platz?

von Yanika Meyer-Oldenburg

Wie verhält sich der Mensch in Entscheidungssituationen? In ökonomischen Verhaltensmodellen wird diese Fragestellung mit dem Konzept des Homo oeconomicus beantwortet. Es wird von einem rationalen Handeln der Menschen ausgegangen, deren höchstes Ziel es als Konsumenten ist, ihren Nutzen zu maximieren. Von der Perspektive der Unternehmer ist dagegen oft von Gewinnmaximierung die Rede. Die Unternehmensform des Social Entrepreneurship versucht dagegen gesellschaftliche Veränderungen zu erwirken; das höchste Ziel dabei ist"sozialen Mehrwert" zu generieren (Empter und Hackenberg 2011: 11). In diesem Sinne stellt sich die Frage, inwiefern das Konzept des Homo oeconomicus mit der Idee des Social Entrepreneurs zusammenpasst. 

Im Folgenden soll, anhand dieser Fragestellung, untersucht werden, ob weiterhin an der Annahme des Homo oeconomicus festgehalten werden kann, oder ob es andere Verhaltensmodelle benötigt, um die steigende Anzahl von Social Entrepreneurships zu erklären. 

Als erster Schritt wird hierzu „das Modell individuellen Verhaltens“ in der Wirtschaft, der sog. Homo oeconomicus genauer betrachtet (Kirchgässner 2013: 12). Schon Adam Smith legte erste Gedankenbausteine für den Homo oeconomicus, indem er von Wirtschaftssubjekten ausging, welche eigennützig agieren, da sie so den größten Wohlstand für sich selbst hervorbringen (vgl. Manstetten, Hottinger, Faber 1998:127). Neben Smith, haben auch viele andere Wirtschaftswissenschaftler an der Modellvorstellung des Homo oeconomicus mitgewirkt. So auch Gebhard Kirchgässner, auf dessen Arbeit („Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“)sich die hier verwendete Definition beruht. Die Annahmen, auf denen das Modell des Homo oeconomicus beruht sind, dass für die Wirtschaftssubjekte eine Knappheitssituation besteht, in der sie nicht in der Lage sind, alle Bedürfnisse gleichzeitig zu erfüllen und es deswegen eine Entscheidung treffen müssen. Diese Entscheidungen werden rational getroffen, was bedeutet, dass die Wirtschaftssubjekte zwischen den Alternativen abwägen können und in Folge dessen für sich selbst, verhältnismäßig am vorteilshaften handeln.  Die Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte werden hierbei in Anbetracht von Restriktionen, d.h. von Einschränkungen (Gesetze, verfügbares Geld, etc.) und von den eigenen Vorlieben, den sog. Präferenzen getroffen (vgl. Kirchgässner 2013: 12-13). Letztere „ergeben sich aus den Intentionen des handelnden Individuums, sie spiegeln seine Wertvorstellungen wider“ (Kirchgässner 2013: 14). Auf deren Basis werden die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten abgewogen und schließlich wird genau die Entscheidung getroffen, welche den eigenen Präferenzen am nächsten kommt und daher den größten individuellen Nutzen mit sich bringt (vgl. ebd.). Wird der Unternehmer auf dieselbe Weise betrachtet, so gilt die Gewinnmaximierung ebenfalls lediglich als Mittel, um die eigene Nutzenmaximierung zu realisieren. In diesem Sinne wäre „Gewinnmaximierung nicht das eigentliche Ziel unternehmerischen Handelns, sondern nur ein abgeleitetes Ziel aus der Annahme der Nutzenmaximierung“ (Kirchgässner 2013: 15). Diese Ansicht eröffnet die Möglichkeit, dass noch etwas Anderes einen Beitrag zur Nutzenmaximierung spielt, beispielsweise auf welche Art und Weise der Gewinn des Unternehmens generiert wird, oder auch, dass Gewinnmaximierung nicht in jedem Fall auch Nutzenmaximierung für den Unternehmer bedeutet (vgl. Harbrecht 2010: 73). Es dient somit als Beweis, dass der Homo oeconomicus der Moderne, nicht rein „materiell orientiert“ ist (Kirchgässner 2013: 15-16).

In Anbetracht dessen, wird die Unternehmensform des Social Entrepreneurships im Zusammenhang mit dem Homo oeconomicus wieder möglich. Der Social Entrepreneur generiert den höchsten Nutzen durch sein Unternehmen, sobald er ´sozialen Mehrwert´, statt Gewinn maximieren kann (Empter, Hackenberg 2011: 11). Dies bedeutet, dass seine individuellen Präferenzen anders ausgerichtet sind, als Unternehmern in der klassischen Nationalökonomie traditionell unterstellt wird. Der Social Entrepreneur wählt somit, wie alle anderen Individuen, die Alternative, die ihm ganz individuell den höchsten Nutzen einbringt. Sein höchster Nutzen dabei ist es jedoch, anderen Menschen nützen zu können (vgl. Vormoor 2011: 29, Harbrecht 2010: 73). Anders, als dem Modell des Homo oeconomicus oft unterstellt wird, sagt es nicht aus, dass jedes Individuum rein egoistisch, ohne auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen, handeln muss, sondern dass das Handeln lediglich eigennützig stattfindet. Der Nutzen des Individuums kann gleichzeitig auch anderen nützen; Eigennutz kann gleichzeitig auch „Fremd“-Nutzen sein. Es besteht also die Möglichkeit, dass sich das Modell des Homo oeconomicus und die Idee von Social Entrepreneurship in einigen Bereichen nicht gegenseitig ausschließt und sich widerspricht, sondern sich sogar entsprechen kann. Jedoch sind die Übereinstimmungen beschränkt und es existiert einige berechtigte Kritik an den Glauben eines Homo oeconomicus als handelnden Menschen, vor allem was den sozialen Sektor angeht. So wird das vollkommene Eigeninteresse, nach welchem der Homo oeconomicus zusammen mit absoluter Rationalität agiert, in anderen Definitionen mehr in den Fokus gestellt (vgl. Suchanek). In Anbetracht dieser Ansicht des Homo oeconomicus ist es schon schwieriger, die Existenz von ehrenamtlicher Tätigkeit, Spendenbereitschaft, oder auch von Social Entrepreneurships zu erklären. Leichter wäre dies in der Annahme, dass Menschen ihre Entscheidungen aufgrund vom gesellschaftlichen Umfeld und den, an sie gestellten Erwartungen treffen, wie es das Konzept des Homo sociologicus darlegt (vgl. Harbrecht 2010: 75). In den Wissenschaften werden die beiden Verhaltensmodelle oft als Gegensätze gegenübergestellt. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass Menschen Entscheidungen, beiden Modellen entsprechend, treffen und „so könnten sich die beiden Ansätze durchaus fruchtbar ergänzen“ (Kirchgässner 1993: 181).

Es lässt sich demnach festhalten, dass die Definition des Modells des Homo oeconomicus von Gebhard Kirchgässner die Idee von Social Entrepreneurship zwar zulässt, aber dennoch nicht zufriedenstellen erklären kann. In der Betrachtung von Social Entrepreneurship sollte das Konzept des Homo oeconomicus jedoch nicht vollständig negiert werden, da es grundlegend für die meisten ökonomischen Modelle ist. Als Alternativvorschlag fungiert die Ergänzung der Vorstellung eines Homo oeconomicus mit der eines Homo sociologicus, dessen Verhalten vor allem von außen bestimmt wird. Ob die Kombination der beiden Modelle jedoch ausreichend ist, um das Verhalten eines Social Entrepreneurs zu erklären, lässt sich in Frage stellen. So wäre es eine Reduktion dessen Motive auf Eigennutz, der sich in der Hilfeleistung für andere maximiert und Erwartungen der Gesellschaft an das eigene Verhalten, zu beschränken. Meiner Meinung nach treibt einen Social Entrepreneur vielmehr auch eine intrinsische Motivation an, welche dem Wunsch zugrunde liegt, nicht sich selbst, sondern der Gesellschaft Nutzen zu bringen. 

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Literatur

- Empter, Stefan und Helga Hackenberg (2011): Social Entrepreneurship and Social Business: Phänomene, Potentiale, Prototypen- ein Überblick, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

- Kirchgässner, Gebhard (2013): Homo oeconomicus: Das Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Tübingen: Mohr Siebeck GmbH & Co.- Harbrecht, Armin (2010): Social Entrepreneurship- Gewinn ist Mittel, nicht Zweck: eine Untersuchung über Entstehung, Erscheinungsweisen und Umsetzung, Karlsruhe: KIT Scientific Publishing

-Kirchgässner, Gebhard: Hält sich der Homo Oeconomicus an die Regeln? Einige Bemerkungen zur Rolle von Normen und Regeln im Rahmen der Konzeption des ökonomischen Verhaltensmodells.Veröffentlicht in: Neue politische Ökonomie von Normen und Institutionen.Bd. 12 (1993) Hrsg. von: Herder-Dorneich, Philipp, Karl-Ernst Schenk, Dieter Schmidtchen, Tübingen: Mohr Siebeck GmbH & Co.

-Manstetten, Rainer, Olaf Hottinger und Malte Faber (1998): Zur Aktualität von Adam Smith: Homoe oeconomicus und ganzheitliches Menschenbild. Veröffentlicht in: Homo oeconomicus XV, München: Accedo Verlagsgesellschaft 

- Vormoor, Michaela 2011: Money cannot buy great ideas- Soziale Kapitalisten: Begriff, Beispiele und gesellschaftliche Bedeutung von Social Entrepreneurship,Hamburg: Diplomica Verlag GmbH

- Gabler Wirtschaftslexikon: Andreas Suchanek: Homo oeconomicus [online]http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/homo-oeconomicus.html[23.08.2017]

Die Überwindung sozialer und organisationaler Marktbarrieren - Wie Social Enterpreneurs Möglichkeiten erkennen und bewerten

von Nina Krah

„I should never seek a job in my life, my mission in life is to create jobs. I am not a job seeker, I am a job giver.” (Yunus 2008) Mit diesen Worten möchte Yunus arbeitssuchende Studenten in Bangladesch dazu anregen, Gelegenheiten und Chancen zu entdecken, selbst als Entrepreneur tätig zu werden und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das Bestmögliche zu erreichen. Er setzte damit einen Grundstein für das Social Enterpreneurship.  

Bereits im Jahr 1907 gründete Maria Montessori in Rom das erste Kinderhaus (casa dei bambini) für 50 noch nicht schulpflichtige Kinder, als erste Bildungseinrichtung, die über die persönlichen Tutoren der Wohlhabenden hinausging. Dieser sozialunternehmerische Ansatz revolutionierte die Pädagogik und startete die weltweit verbreitete Montessori-Bewegung. Montessori entdeckte eine Gelegenheit und entwickelte eine neue soziale Idee entgegen von Widerstand und Missachtung von Regeln. Sie arbeitete systematisch daran, diese neue Idee auf dem Markt zu etablieren und in den Köpfen der Menschheit zu verankern. Sie war Bildungspionierin, Spielzeuginvestorin, Gründerin einer Organisation, Branding-Genie und internationale Aktivistin (vgl. Vollmann 2006).

Die vorherrschende theoretische Perspektive des Unternehmertums konzentriert sich auf den Zusammenhang zwischen unternehmungslustigen Individuen und dem Ergreifen von wertvol- len Gelegenheiten (vgl. Faltin 2008). Dies zeigen auch die beiden oben genannten Beispiele. Über die Art dieser Gelegenheiten oder Möglichkeiten und ob diese vom Social Enterpreneur entdeckt oder entwickelt werden, ist jedoch noch wenig bekannt und erforscht. Während einige Autoren die Existenz von Möglichkeiten als selbstverständlich ansehen und über Chancenidentifikation und -erkennung sprechen (vgl. DeTienne/ Chandler 2004), sind andere der Meinung, dass Möglichkeiten erschaffen (vgl. MacMillan 2005) und Chancen entwickelt werden müssen (vgl. Dees 1998).

Was unterscheidet sozialunternehmerische von anderen Arten von Möglichkeiten und welche Barrieren gilt es als Social Enterpreneur zu überwinden?
Sozialunternehmerische Chancen sind besonders, weil sie in die Märkte des sozialen Sektors eingebettet sind. Nach Robinson (2006) haben diese Märkte zwei entscheidende Merkmale: Erstens haben sie erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft. Zweitens sind sie stark von formellen und informellen sozialen und organisationalen Faktoren beeinflusst, die von einigen Unternehmern mehr und von anderen weniger wahrgenommen werden. Die Märkte des sozialen Sektors sind häufig geographische Gebiete (Stadtteile, Gemeinden oder Regionen), in denen ein bestimmtes soziales Problem auftritt. Infolgedessen sind die Märkte des sozialen Sektors herausfordernd, da sie sich typischerweise aus Situationen ergeben, in denen die formelle und die informelle Wirtschaft eng miteinander verbunden sind.

Die Märkte und Gemeinschaften, in denen Sozialunternehmer tätig sind, sind sicherlich reprä- sentativ für diese Art von Markt: Die formelle Wirtschaft soll reguliert, vorhersehbar und in der Lage sein, in einem nahezu reinen Markt reibungslose Geschäfte zu tätigen. Die informelle Wirtschaft ist nicht reguliert, unregelmäßig und anfälliger für die Eigenheiten der persönlichen Beziehungen. Die Märkte des sozialem Sektors sind einerseits von einer engen Koppelung und andererseits von Ebbe und Flut der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen geprägt. Deshalb stellen sie eine enorme Herausforderung für den potenziellen Unternehmer dar. (vgl. Portes 1994)

Sozialunternehmer können voraussagen, dass ihre Dienstleistungen einen großen Einfluss auf das Leben von Bewohnern in einer von Armut betroffenen Region haben, werden aber bald desillusioniert, wenn ihr Unternehmen in der Gemeinschaft isoliert ist und potenzielle Kunden ihre Dienstleistungen nicht erhalten. Diese Schilderung zeigt, dass sowohl Kreativität bei der Suche nach Möglichkeiten als auch innovative Geschäftspraktiken bei der Umsetzung eines sozialen Geschäftsmodells erforderlich sind (vgl. Mair 2006). Besonders das Ergreifen sozial- unternehmerischen Möglichkeiten stellt sich somit als kompliziert heraus.

Wie finden Sozialunternehmer trotz der sozialen sowie organisationalen Marktbarrieren Möglichkeiten, die einen gerechten und gemeinnützigen Mehrwert schaffen?
Nach Robinson (2006) existieren sozialunternehmerische Chancen, aber sie können nicht von jedem erkannt werden. Wenn davon ausgegangen wird, dass die Chancenidentifikation- und erkennung in Korrelation mit der Kreativität stehen (vgl. McMullan 1984), lässt sich meines Erachtens nach der Ursprung der Chancenidentifikation und die Quelle neuer Ideen auf die nach Henry (1991) definierten fünf Denktheorien der Kreativität zurückführen:

  • Gnade: Kreativität und das Entdecken von Möglichkeiten ist in diesem Verständnis eine Art göttlicher Gabe (vgl. Proctor 1995).
  • Unfall: Die Unfallperspektive legt nahe, dass Ideen zufällig entstehen. Ein Beispiel für diese Art von Entdeckung ist Flemings Entdeckung von Penicillin, die auftrat, als Schimmel durch ein offenes Fenster eingeblasen wurde und einen Bakterienstamm tötete, den er untersuchte (vgl. Detienne & Chandler 2004: 244).
  • Persönlichkeit: Die Persönlichkeitstheorie besagt im Allgemeinen, dass Kreativität und die Fähigkeit, Ideen zu entdecken, natürliche menschliche Eigenschaften sind, die einige Menschen besitzen und andere nicht (vgl. Andrew/ Germak/ Robinson 2014).
  • Assoziation: Die Assoziationsperspektive vertritt die These, dass das Wechseln von einem Wissensgebiet zu einem anderen zu neuen Assoziationen führen kann und diese Assoziationen die Grundlage kreativer Ideen bilden können (vgl. Proctor 1995: 43).
  • Kognition: Kreativität ist auf kognitive Prozesse zurückzuführen, indem Individuen kognitiv ihren Verstand darauf vorbereitet haben, Möglichkeiten zu identifizieren (vgl. Detienne & Chandler 1995: 245).

Folglich kann festgehalten werden, dass sozialunternehmerische Chancen stark von den sozialen und organisationalen Strukturen in einem Markt oder einer Gemeinschaft beeinflusst werden, welche Eintrittsbarrieren in den sozialen Sektor darstellen (vgl. Harrigan 1981).
Social Entrepreneurship bezeichnet den Prozess, welcher mithilfe unternehmerischer Strategien das Potenzial besitzt (vgl. MacMillan 2005), gerade diese marktlichen Hindernisse und Grenzen zu überwinden.

Von essentieller Bedeutung ist meines Erachtens nach, dass Unternehmer, die nach Möglichkeiten und Chancen für ein Sozialunternehmen suchen, immer wieder reflektieren und evaluieren, inwieweit sich ihre Vision und Mission auf die Lösung sozialer sowie gesellschaftlicher Probleme bezieht. Sie müssen den Mut, die intrinsische Motivation und die Leistungsbereitschaft besitzen, Grenzen zu überschreiten. Nur so kann gewährleistet werden, dass Social Entrepreneurship in Zukunft einen Prozess darstellt, welcher kontinuierlich neue Innovationen und Anpassungen verfolgt, aber trotz gering verfügbarer Ressourcen sein gemeinnütziges so- wie gesellschaftliches Ziel nicht außer Acht lässt.

Es müssen neue unternehmerische Pioniere gefunden werden - die Maria Montessoris und Muhammad Yunus unserer Zeit - die lokalen Champions der sozialen Innovation, die alle Barrieren und Grenzen überwinden, die Risiken eingehen und Mitmenschen dazu ermutigen, selbst Organisationen zu gründen, welche soziale Probleme zu lösen versuchen.

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Literatur:

ANDREW, J., GERMAK & ROBINSON, J. (2014). Exploring the Motivation of Nascent So- cial Entrepreneurs. Journal of Social Entrepreneurship. 5:1. 5-21, DOI: 10.1080/19420676.2013.820781.

DEES, J.G., (1998). Enterprising nonprofits. Harvard Business Review 76 (1). 55–66.

DETIENNE, D. R. & CHANDLER, G. N. (2004). Opportunity identification and its role in the entrepreneurial classroom: A pedagogical approach and empirical test. In: Academy of Management Learning and Education 3 (3). 242-256.

FALTIN, G. (2008). Social Entrepreneurship, Definitionen, Inhalte, Perspektiven. Social En- trepreneurship - Unternehmerische Ideen für eine bessere Gesellschaft (Braun / French (Hrsg)). Rostock. 25-46.

HARRIGAN, K. R. (1981). Barriers to entry and competitive strategies. Strategic Manage- ment Journal, 2: 395–412.

HENRY, J. (1991). Creative management. London.

MCMULLAN, W. (1984). Mapping the venture opportunity identification process. In: J. A. Hornaday, F. A. Tardley, J. A. Timmons, & K. H. Vesper (Eds.), Frontiers of Entrepre- neurship Research, 567–591. Wellesley. Babson College.

MACMILLAN, I. A. (2005). http://knowledge.wharton.upenn.edu/index.cfm?fa=viewfea- ture&id=766 [30.07.2018]

MAIR, J. (2006). Exploring the Intentions and Opportunities Behind Social Entrepreneurship.In: Mair J., Robinson J. & Hockers K. (Hrsg.). Palgrave Macmillan. New York. 87-95.

PORTES, A. (1994). The informal economy. In: N. J. Smelser and R. Swedberg (eds) The handbook of economic sociology: 426–449. Princeton. Sage Foundation.

PROCTOR, T. (1995). The essence of management creativity. London. Prentice Hall. 40-44. ROBINSON, J. (2006). Navigating Social and Institutional Barriers to Markets. In: Mair J.,

Robinson J. & Hockers K. (Hrsg.). Palgrave Macmillan. New York. 95-121.

VOLLMANN, M. (2006). Social Entrepreneurs – Bottom-up Innovators for Development. In: Digital development debates. Ashoka innovation.

YUNUS, M. (2008). Creating a world without poverty: Social business and the future of capi- talism. Global urban development. Volume 4. Issue 2.

Pro Kinderarbeit - Plädoyer für kontraintuitives Sozialunternehmertum

von Kai Inboden

"Muss nur noch kurz die Welt retten" singt der deutsche Singer-Songwriter Tim Bendzko in seinem gleichnamigen Lied, das im Jahr 2011 die europäischen Charts eroberte. Nur noch kurz die Welt retten, es ist doch so simpel. Wir alle wissen längst, wie das geht. Denn im industrialisierten, gebildeten, entwickelten Deutschland wachsen wir mit diesem immer gleichen Mantra auf: Wie leicht es doch scheint, alles zum Guten wenden zu können. Würden wir nur endlich alle Waffen entsorgen, den Welthunger beseitigen, weniger und nachhaltiger konsumieren und auf regenerative Energien umsteigen, dann würde es doch eigentlich allen Menschen und unserem Planeten gut gehen, nicht wahr?  

Doch ebenso zweideutig wie Bendzkos lyrisches Ich, das fest daran glaubt, etwas Gutes zu tun, während es zugleich scheinbar zu stagnieren scheint ("Ich wär‘ so gern dabei gewesen, doch ich hab viel zu viel zu tun, lass uns später weiterreden. Da draußen brauchen sie mich jetzt, die Situation wird unterschätzt und vielleicht hängt unser Leben davon ab.") ergeht es auch dem geneigten Westeuropäer. Denn ganz so einfach ist es wohl doch nicht, kurz die Welt zu retten.

Manch einen mag das Gefühl beschleichen, weniger Wasser zu verbrauchen hilft den Dürstenden dieser Erde und der Einkauf teurer Markenkleidung den Näherinnen in Bangladesch. Und so beginnen wir, alles anders zu machen, weil wir davon überzeugt sind, dass es richtig, dass es besser ist. Wie gründen soziale Unternehmen, die dabei helfen, Wasser zu sparen. Social StartUps wie Manomama, die Mode vor Ort zu vertretbaren Löhnen produzieren, anstatt sie aus Asien zu importieren. Das nennen wir dann "radikal regional"1 und fühlen uns gut dabei. Doch was erreichen wir damit tatsächlich?

Viele Sozialunternehmen versuchen diesen Weg zu gehen. Sie suchen sich ein soziales oder umweltbezogenes Thema und bieten dann eine bessere Alternative zum schlechten Produkt am Markt an. Während diese Methode auf den ersten Blick erfolgversprechend zu sein scheint, lohnt sich die Frage nach dem Ziel: Wollen wir allein einen Markt mit Produkten, die uns ein gutes Gewissen verschaffen oder wollen wir die Situation der Menschen vor Ort verbessern?

Im Jahr 1993 diskutierte der Kongress der Vereinigten Staaten den "Child Labor Deterrence Act", der vorsah, Unternehmen zu bestrafen, die Produkte aus Kinderarbeit importierten.

Diese Diskussion führte in Bangladesch zur vorsorglichen Entlassung von rund 50.000 Kindern und Jugendlichen, etwa 75% der zum damaligen Zeitpunkt in der bangladeschischen Textilindustrie beschäftigten Jungen und Mädchen2. Auf den ersten Blick ein Erfolg. Da ein Großteil der Familien der Kinder jedoch auf den Verdienst angewiesen war, suchten diese sich andere Beschäftigungen, teils in ausbeuterischen Verhältnissen.

Zweifellos gibt es unzählige Sozialunternehmen, die es besser machen und die nicht nur ein Wohlfühlprodukt anbieten, sondern durch ihre Arbeit zugleich auch nachhaltige Entwicklungsarbeit leisten. Doch in Grenzbereichen wie der Kinderarbeit ist dieser Weg scheinbar nicht immer der beste. Und so könnte man sich fragen: Gibt es denn einen Besseren?

Eine Antwort auf diese Frage, die möglicherweise zunächst irritieren mag, könnte etwas sein, das sich vielleicht als kontraintuitives Sozialunternehmertum bezeichnen lässt. Wenn wir beim Beispiel der Kinderarbeit bleiben, wäre ein kontraintuitives Sozialunternehmen jenes Unternehmen, das die Kinder und Jugendlichen selbst anstellt, anstatt die Produktion in Länder ohne Kinderarbeit zu verlagern. Doch warum sollte man das tun?

Insbesondere in vielen Entwicklungsländern ist Bildung der wichtigste Faktor für Wege aus der Kinderarbeit. Können die Eltern lesen und schreiben, fällt es ihnen deutlich leichter, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften, sodass ihre Kinder nicht gezwungen sind, aktiv an diesem Einkommen mitzuwirken3. Doch solange Kinder durch Arbeit vom Besuch einer Schule abgehalten werden, setzt sich diese Spirale über viele Generationen fort.

Ein Ansatz, der dem Konzept des kontraintuitiven Unternehmertums entspricht, wird beispielsweise von der Entwicklungsinitiative „SEKEM“ umgesetzt. Dieses im Jahr 1977 gegründete Projekt betreibt in der ägyptischen Wüste biologisch-dynamische Landwirtschaft. Nachdem die Mitarbeit von Kindern und Jugendlichen auf den Feldern zunächst abgelehnt wurde, stellte Gründer Ibrahim Abouleish - der für seine Initiative unter anderem mit dem alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) ausgezeichnet wurde - fest, dass diese Kinder zu anderen Plantagen weiterzogen und dort unter teils schlechten Bedingungen arbeiten mussten. So schuf die Initiative das Projekt der „Kamille-Kinder“4. Jungen und Mädchen aus der Region erhalten hier die Möglichkeit, durch wenige Stunden leichter Arbeit unter Beaufsichtigung eines Sozialarbeiters einen verhältnismäßig hohen Tageslohn zu erwirtschaften5. Bedingung für diese Anstellung ist der Besuch der zur Initiative gehörenden Waldorfschule. Auf diese Weise trägt die Initiative gleich auf mehreren Wegen zur Beseitigung sozialer Probleme bei: Die Familien der Kinder und Jugendlichen erhalten ein ausreichendes Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Gleichzeitig besuchen die Jungen und Mädchen eine Schule, sodass sie selbst zukünftig eigenständig für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können. Ebenfalls Teil des Programms ist die Versorgung der Kinder mit den in der Initiative angebauten Bio-Lebensmitteln, sowie die hygienische und medizinische Versorgung. In den vergangenen 40 Jahren wuchs die Initiative so stark, dass zwischenzeitlich sogar eine auf Nachhaltigkeit spezialisierte Universität und ein Krankenhaus gebaut werden konnten. Die Jugendlichen haben nach ihrer Schulausbildung die Möglichkeit, in der Initiative eine Berufsausbildung zu beginnen und ebenfalls dort eine Anstellung zu finden oder die Universität zu besuchen. Auf diese Weise kann zum einen der Kreislauf, der zu Kinderarbeit führt, durchbrochen, zum anderen aber auch die Möglichkeit zum Wachstum des Sozialunternehmens generiert werden.

Das Beispiel von SEKEM zeigt, dass es hilfreich sein kann, genauer hinzuschauen. Denn obwohl uns unsere Intuition zu einer spontanen Abwehr einer solchen Idee verleitet – wer würde schon freiwillig ein Produkt mit dem Label „Produziert durch Kinderarbeit“ kaufen? – und der Erklärungsbedarf hierfür hoch ist, lohnt es sich, diesen Weg nicht gleich auszuschlagen. Möglicherweise ist er auch nicht der schnellste, sondern vielmehr ein generationenübergreifender Weg.

Und so müssen wir uns fragen: Was wollen wir eigentlich? Wollen wir den Menschen, Tieren, und Pflanzen, den Meeren und Regenwäldern, der Atmosphäre und all den anderen hilfsbedürftigen Bereichen unseres Planeten wirklich helfen oder bleiben wir mit Scheuklappen in einer Komfortzone, in der wir uns pudelwohl fühlen?

Gute Unternehmerinnen und Unternehmer sind kreativ, unkonventionell, vielleicht disruptiv. Sie suchen nach Lösungen, wo andere keine Lösungen sehen. Sie schließen Lücken. Vielleicht müssen im Besonderen die Sozialunternehmerinnen und -unternehmer unter ihnen hier nun neue Wege beschreiten, kontraintuitive Wege, um alte Probleme zu lösen und so zumindest ein bisschen die Welt zu retten. 

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Literatur:

1 https://www.manomama.de/shop/story#radikal_regional

2 web.archive.org/web/20130131045028/http://www.dol.gov/ilab/media/reports/iclp/sweat/bangladesh.htm

3 https://www.tdh.de/was-wir-tun/arbeitsfelder/kinderarbeit/

4 https://www.sekem.com/de/gemeinschaftsschule/

5 https://www.dreigliederung.de/essays/2007-07-002